Vertreter aus Vereinen und Institutionen diskutieren über die Perspektiven des Sports und die Chancen des GanztagsVON MARCUS RIECHMANNMinden (mt). Welche Zukunft hat der Sport? Liegt sie im Dunstkreis der Schulen und dort im Ganztagsbetrieb? Und wenn ja: Welche Folgen ergeben sich daraus für die Vereine?
In seinem Eröffnungsvortrag zeigte Stephan Klaus von der Universität Osnabrück die Entwicklungen und Prognosen für Sport, Schule und Gesellschaft auf.
Diesen und vielen weiteren Fragen ging die Fachtagung des Sportbüros der Stadt Minden unter dem provokanten Titel "Schule statt Sportverein? Kooperation oder Konkurrenz" in der alten Grundschule in Meißen nach. Einen ganzen Tag lang stellten sich 60 Vertreter von Vereinen, Verbänden, Schulen und Kindertagesstätten der Aufgabe. Sie entdeckten ernüchternde Realitäten ebenso wie ermutigende Visionen, und sie forschten miteinander nach Lösungen für die Aufgaben von morgen.
Die Themen stießen auf großes Interesse bei den Teilnehmern der Tagung in Meißen. | Fotos: Thomas Kühlmann/pr
"Wir machen jetzt den Laden zu"
Im Eröffnungsreferat hatte Stephan Klaus von der Universität Osnabrück ernüchternde Erkenntnisse mitgebracht. Unter anderem die: Wir werden immer weniger, die Deutschen treiben immer mehr Sport außerhalb von Vereinen, die Schulen belegen immer mehr Zeit in Hallen und bei den Kindern. "Nach dem Vortrag dieser Daten kann man als Verein schon mal das Gefühl bekommen: Hat keinen Zweck mehr, wir machen den Laden zu", kommentierte zugespitzt Jens Große, Präsident des Kreissportbundes.
Stellten sich in der Podiumsdiskussion (von links): Hans-Jürgen Weber (Deutsches Rotes Kreuz), Philipp Koch (Stadt Minden) und Karin Birkholz (Fachberaterin für Kindertagesstätten beim Diakonischen Werk).In den folgenden Arbeitskreisen durfte sich nicht nur Große davon überzeugen lassen, dass die Vereine nicht im geringsten daran denken "zuzumachen". Die Referenten trugen etliche Beispiele aktiver Vereinsarbeit vor: Vom TSV Hahlen, über die HSG Hüllhorst bis hin zum TuS Minderheide legten sie Gestaltungsmöglichkeiten dar. Hahlen betreut den offenen Ganztag an der Freiherr-von-Vincke-Realschule, Hüllhorst betreibt ein zertifiziertes Qualitätsmanagement und Minderheide eine rege und zielgerichtete Jugendarbeit. Schulen und Kindertagesstätten machten ihre Wünsche deutlich, Ganztagsbetreiber gaben Ideen.Insgesamt bei zwölf Referenten holten sich die Tagungsteilnehmer Anregungen, die sie mit in die abschließende Podiumsdiskussion nahmen. Bei der zitierte Hans Feuss, Fachberater Schulsport bei der Bezirksregierung Detmold und Referent der Tagung, mahnend Schiller: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit." Das war bei den Teilnehmern längst angekommen. Um ihre Zukunft gestalten zu können, müssen sie sich mit ihr beschäftigen.
Nicht für jeden Verein liegt die Zukunft im Ganztag
Philipp Koch, Leiter des Fachbereichs Schule und Sport bei der Stadt und gemeinsam mit Annette Amann und Philipp Knappmeyer vom Sportbüro sowie Mitarbeitern und den Gastgebern von Pro Meißen Ausrichter der Tagung, hielt fest: "Nicht für jeden Verein liegt die Zukunft im Ganztagsbetrieb." Wichtig sei: Vereine sollten sich überprüfen, genau festlegen, was sie sind und was sie wollen, und dann überlegen: Ist die Zusammenarbeit mit der Schule sinnvoll?Allein auf die Frage "Was bringt es meinem Verein" dürfe man das Engagement im Ganztag nicht herunterbrechen. Das machte Otto Weng, Geschäftsführer beim TSV Hahlen, ebenso deutlich wie Hans-Jürgen Weber, der mit dem DRK Ganztagsbetreuung an den Schulen anbietet. "Die richtige Frage ist: Was bringt es den Kindern?", sagte Weber. Und denen bringt es eine Menge, in einer Zeit, in denen sich Familien immer weniger kümmern.Und auch das ist eine Erkenntnis der vom MT moderierten Tagung: Am Reißbrett wird die Zukunft nicht entwickelt. Sinnvolle und tragfähige Zusammenarbeit wird letztlich von den Menschen und deren Engagement getragen.Und so war bei allen Fragen und Aufgaben, die die Tagung hinterlassen hat, das der vielleicht größte Erfolg: Der Tag in Meißen hat Menschen aus allen Sportbereichen zusammengebracht. Sie haben sich kennengelernt, Verständnis füreinander entwickelt, Kontakte geknüpft. Das zeigten nicht zuletzt die regen Gespräche während der Pausen.Das Ausbaupotenzial des Themas und der Tagung erkannten fast alle Teilnehmer nach schweißtreibenden sieben Stunden. Und so war die Forderung nach einer zweiten Auflage zwangsläufig. "Man muss den Ball jetzt im Spiel halten", formulierte Hans Feuss den Wunsch nach einer nächsten Tagung. Die Zukunft wartet schließlich nicht.
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Dokument erstellt am 09.05.2011 um 21:25:43 Uhr
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